von Stefan Idel
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28. Mai 2021
NORDWEST-ZEITUNG, 28. April 2021 von Stefan Idel CORONA Fachleute diskutieren bei Ärztekammer in Oldenburg über Auswirkungen der Pandemie Oldenburg/Hannover – Das hatte sie sich zum Finale aufgespart: Ein klares Bekenntnis zum Ausbau der European Medical School (EMS) in Oldenburg gab Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) beim „Weser-Ems-Forum“ der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) ab. „Da ist schon ein Haken dran“, sagte die Ministerin auf die entsprechende Frage von Moderator Thomas Spieker. Sie unterstütze Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) im Kabinett. Den Ausbau der Uni-Medizin mahnten auch der Oldenburger Virologe Prof. Dr. Axel Hamprecht und der Emder Mediziner Dr. Jörg Weißmann, Vorsitzender der ÄKN-Bezirksstelle Aurich, an. Die Auswirkungen der Pandemie auf die ambulante und stationäre Versorgung war das Thema der ÄKN-Veranstaltung am Montagabend in Oldenburg. Unter der Moderation von Professor Dr. Djordje Lazovic (ÄKN-Bezirksvorsitzender) und Prof. Dr. Claus-Henning Köhne (Vorsitzender des ÄKN-Fortbildungsausschusses) wurden Fachvorträge und eine Diskussionsrunde unter Beteiligung der Ministerin geboten. Wir fassen die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Wie ist die Situation in den Hausarztpraxen? „Die Praxen sind seit einem Jahr im Alarmmodus“, sagt Dr. Karin Bremer, stellvertretende ÄKN-Vorsitzende und Fachärztin für Innere Medizin in Dissen (Kreis Osnabrück). Sie beklagte die ausufernde Impfbürokratie und die hohe Belastung des Personals. „Wir brauchen mehr Freiraum“, so Bremer. Die Ärzte könnten selbst entscheiden, welche gefährdeten Patienten sie innerhalb der Prioritätsgruppe zuerst impfen. Aus Sicht der Ministerin sind die Praxen unverzichtbar für die Impfkampagne. In den nächsten drei Monaten sollen sieben Millionen Dosen an die Praxen in Niedersachsen geliefert werden. Sind die Langzeitfolgen von Covid-19 erkennbar? In die Sprechstunden kommen zunehmend Menschen, die eine Covid-19-Erkrankung zwar überstanden haben, aber „mitnichten geheilt“ sind, erklärte Ärztekammer-Präsidentin Dr. Martina Wenker, zugleich Lungenfachärztin in Hildesheim. „50 Prozent der Patienten zeigen Symptome, die sie vorher nicht hatten“, so Hamprecht. Er nannte Erschöpfung und neurologische Erkrankungen. Weißmann berichtete, dass auch junge Menschen lang anhaltende Leistungsschwächen beklagen und schneller müde würden. Stoßen die Kliniken an die Kapazitätsgrenze? Es sind deutlich mehr Menschen auf den Intensivstationen der Oldenburger Krankenhäuser als in der zweiten Welle, sagt Axel Hamprecht, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Virologe am Klinikum Oldenburg. Landesweit gibt es derzeit 2159 Intensivbetten; 1805 waren am Dienstag belegt. Ministerin Behrens kündigte einen Modernisierungsschub für die Krankenhäuser an. Regionale Versorgungszentren könnten den Ärztemangel auf dem Land kompensieren. Sollte die Impf-Reihenfolge aufgehoben werden? Hier waren sich die Fachleute einig: „Nein“, sagte ÄKN-Präsidentin Wenker. Ohne den Schutz der älteren Menschen und der Risikogruppen wäre die dritte Welle schlimmer ausgefallen. Hamprecht erklärte, mit zunehmendem Alter steige das Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Behrens ging davon aus, dass bei kontinuierlich hohen Impfstofflieferungen im Juni die Priorisierung aufgehoben werde und alle Impfwilligen sich einen Termin geben lassen könnten. Sie hoffe zudem darauf, dass es im Herbst auch einen Impfstoff für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren geben werde. Hier zeigte sich Hamprecht eher skeptisch. Welche Gruppen sind die Verlierer des Lockdowns? Aus Sicht Bremers sind Kinder, Jugendliche und viele Unternehmen Verlierer der Pandemie. Um die dritte Welle zu mildern, hätte schon über Weihnachten oder spätestens zu Ostern ein harter Lockdown greifen müssen. „Da hat die Politik vieles falsch gemacht“, so die Hausärztin. Ministerin Behrens sagte, die Politik müsse die „nicht-medizinischen Schäden“, etwa in der Kinder- und Jugendarbeit, verstärkt in den Blick nehmen. Was muss nach der Pandemie besser werden? „Es müssen mehr Allgemeinmediziner ausgebildet werden“, so Weißmann, der den Ausbau der Uni-Medizin anmahnte. „Ohne Hausärzte geht es nicht“, ergänzte Bremer. „Wir sind der Schutzwall.“ Die enorme Belastung der Pflegekräfte sieht Hamprecht als „große Gefahr“ für das Gesundheitswesen. Es dürfe nicht weiter kaputtgespart werden. ÄKN-Präsidentin Wenker wies auf die zunehmende Bedeutung ethischer Fragen hin. Die begrenzten Ressourcen sollten gerecht verteilt werden. Die Rolle der Wissenschaft sei in der Pandemie gestärkt worden.